Die Ringelblume  – Sonnenbraut und Totenblume

So viel strahlende wärme an einem späten Oktobertag. Sieht diese Blüte nicht wirklich wie eine Sonne aus? Die Natur scheint im Moment noch einmal alles zu geben, um uns für die trüben Monate zu stärken. Wie die Maus Frederick, in dem berühmten Bilderbuch von Leo Lionni, will man die Farben und die Sonnenstrahlen dieser Tage einfangen. („Sponsa solis“ lat. = Sonnenbraut) wird die Ringelblume auch genannt. Ihr botanischer Name Calendula leitet sich ab vom lat. „calendae“ = Monate, weil sie so viele Monate lang blüht.

Traditionell schmückt die Ringelblume auf Friedhöfen die Gräber. Mit ihrer unbändigen Wuchskraft soll sie einen Kontrapunt zum Tod setzen. Aus diesem Grund hat die Ringelblume in manchen Regionen auch den Namen „Totenblume“ bekommen.

Ich mag dieses Buch von Milena Moser, in dem sie sich mit der Vorstellung vom Tod in er mexikanischen Kultur beschäftigt.

Auch beim mexikanische „Tag der Toten“ sind orangenen Blüten, die im Volksmund als Flores de los Muertos, also Blumen des Todes bezeichnet werden, sehr beliebt. Das sind zum einen Ringelblumen, zum anderen die Cempasúchil, oder auf Deutsch: Aufrechte Studentenblume. Sie kommen bei diesem Fest in Hülle und Fülle zum Einsatz, da sie dem Glauben nach den Geistern der Toten zurück auf die Erde einladen. Mit ihr werden Straßenzüge, Gräber, Kostüme und Altäre geschmückt. Der „Dia de los Muertos“, also der Mexikanische Tag der Toten hat nichts mit den modernen Halloween-Gepflogenheiten zu tun, wie man das manchmal annehmen könnte. Der Feiertag begründet sich aus der prä-spanischen Zeit und gehört seit 2008 zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe der Menschheit. Die Vorstellung der Mexikaner vom Tod und ihr Umgang damit fasziniert mich schon seit langem. Es ist so ein lockerer, fröhlicher und selbstverständlicher Umgang. Der Gedanke, dass wir einmal im Jahr unsere lieben Verstorbenen zu einer großen Party treffen, für die wir uns dann auch richtig ins Zeug legen müssen, da es Ihnen im Reich der Toten so gut geht, dass sie auch einen guten Grund brauchen, um mit uns zu feiern, ist einfach total schön und beruhigend. Aus diesem Grund habe ich mir das Buch von Milena Moser „Das schöne Leben der Toten“, das sie zusammen mit Ihrem Partner Victor Mario Zaballa, der in dieser Kultur zu Hause ist, geschrieben hat gekauft. Mir hat es sehr gut gefallen.

Ich liebe die Darstellung des Tods in Wolf Erlbruchs Bilderbuch “Ente, Tod und Tulpe”

Der Grund, warum ich hier von der Ringelblume zu Totenfesten komme, ist natürlich weil bald das Jahreskreisfest Samhain ansteht. Für die Kelten war die Zeit um den 1. November der Winterbeginn und der Beginn eines neuen Jahres. Die Zeit nach der letzten Ernte, und wenn die neue Saat im Boden war, bedeutete für die Naturvölker Europas den Beginn eines neuen Jahreskreises. In seinem Ursprung bedeutet Samhain „Vereinigung“. Der Übergang vom Alten ins Neue. Sie feierten diese Zeit mit Pferderennen, Märkten, Tanzveranstaltungen und gutem Essen. Obwohl die Kelten ihr Neujahrsfest ausgelassen und froh feierten, sahen sie Samhain gleichzeitig als Gefahr. Es kündigte den Beginn der dunkelsten und kältesten Jahreszeit an. Nach keltischer Tradition galten die normalen Naturgesetze in diesen Wochen nicht. Tote konnten auf der Erde wandern und Lebende die Unterwelt besuchen.

Viele der alten keltischen Bräuche sind längst verschwunden. Die Vorstellung jedoch, dass Geister die Welt der Lebenden besuchen und gut behandelt werden müssen, lebt noch heute in den angelsächsischen Bräuchen zu Halloween weiter. Ich habe mir vorgenommen an diesen ersten Novembertagen auch einmal bewusst meiner „Lieben Toten“ zu gedenken. Ihnen einen kleinen Tisch mit Blumen und Fotos zu gestalten und mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.

Anfang November ist also in vielen Kulturen, seit alters her die Zeit, sich mit Tod und Vergänglichkeit, Kommen und Gehen, Sterben und Neubeginn zu beschäftigen. Samhain steht im Zyklus der Jahreskreisfeste für den „Tod der Sonne“. Der Tod steht im Glauben der alten Naturvölker auch immer für Neubeginn. Nach der Erntezeit legt sich die Natur nun endgültig zur Ruhe, um Kraft für das nächste Frühjahr zu sammeln. Auch wir dürfen nun mal einen Gang runter schalten und die Zeit nutzen, um uns mit der Vergänglichkeit zu beschäftigen. Wir können uns fragen, was uns wirklich wichtig ist und was wir gehen lassen möchten. Dieser Fokus wird uns helfen, unser Leben nach unseren Vorstellungen wieder neu zu gestalten und auszurichten.

Weiterführende Links:
https://www.deutschlandfunk.de/samhain-102.html
https://www.teilzeithelden.de/2020/10/31/samhain-allerheiligen-halloween-ja-was-denn-nun/

https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.dia-de-los-muertos-tag-der-toten-mexiko-mhsd.76f6961e-224d-4128-a29b-ff231ba70eb2.html
https://blog.redbubble.com/de/2017/10/tag-der-toten-sugar-skulls/