Die kleine Alchemistin (Alchemilla vulgaris)

Was mich am Frauenmantel am meisten fasziniert, ist der glitzernde Tropfen, der sich in der Mitte des Blattes befindet. Diesen Tropfen nennt man „Guttationstropfen“. Ich dachte immer, es handelt sich bei dieser schillernden Wasserperle lediglich um Morgentau, der sich durch die trichterförmige Blattform in der Mitte sammelt. Doch nun habe ich gelernt, dass es sich tatsächlich um Wasser handelt, das die Pflanze über den Wurzelstock aus der Erde zieht, es mit wasserlöslichen Stoffen, wie Zucker, Mineral- und Nährstoffen anreichert, es bis in die Blätter verteilt und es dort in Form des Guttationstropfens wieder ausscheidet.

Schon die Kelten waren fasziniert von dieser Wasserperle. Für Sie war dieser „Tautropfen“ ein magisches Wasser der „Zwischenwelt“, da es weder von der Erde kam, noch vom Himmel fiel. Die Alchemisten versuchen aus diesem Tropfen den Stein der Weisen herzustellen. Dieser sollte Krankheit in Gesundheit und unedle Metalle in Gold verwandeln. Nach Ihnen wurde der Frauenmantel benannt: „Alchemilla“, die kleine Alchemistin.

Botanik
Der Frauenmantel gehört zur großen Familie der Rosengewächse.  Von den etwa 1000 Arten sind rund 300 in Europa heimisch. Er wächst bevorzugt auf Wiesen, in lichten Wäldern und Gebüschen. Wenn ein Standort dem Frauenmantel gut gefällt, dann bildet er oft ganze Teppiche, andernorts kommt er auch einzeln vor.

Die medizinisch verwendeten Arten Alchmilla vulgaris und Alchemilla xanthochlora sind ausdauernd mit einem kriechenden Wurzelstock, der allmählich verholzt. Je nach Standort 20-50 cm hoch mit aufrechten, mattgrünen Sprossen. Die Fortpflanzung erfolgt fast ausschließlich, agamosperm (über ungeschlechtliche Samenbildung). Die ausdauernde Wurzel treibt im Frühjahr mehrere Stängel aus, an denen gefaltete Blätter mit sieben bis elf Lappen wachsen. Die Ränder der Blätter sind gezähnt. Aus der Mitte mancher Blätter entspringen Stängel, an deren Ende ab Mai die kleinen, gelben Blüten in Trugdolden wachsen.
Die Sprossachsen sind oberirdisch, manchmal teilweise verholzt. Ihre Verzweigung erfolgt monopodial. Die Hauptachse ist liegend, bildet Adventivwurzeln und ist mit Blattstiel- und Nebenblattresten besetzt. An der Spitze der Hauptachse befindet sich eine Grundblattrosette. Die oberirdischen vegetativen Pflanzenteile sind häufig behaart. Die Haare (Trichome) sind stets unverzweigt und meist gerade.

Inhaltsstoffe:
Gerbstoffe (5-8%), Flavonoide und Karotinoide, ätherisches Öl (Blüten), Bitterstoffe, Phytosterin, Glykoside, Saponine, Tannine, Kumarine, Pflanzensäuren (Chologen- und Kaffeesäure)

Heilwirkung
Die Schulmedizin hat bei ihren Untersuchungen nicht viel Heilkräfte beim Frauenmantel entdeckt. Lediglich eine gewisse Heilwirkung gegen Magen- und Darmbeschwerden wird ihm zugestanden. Dafür schätzt die Volksheilkunde den Frauenmantel um so mehr.

Das gefächerte Blatt des Frauenmantels, erinnert an eine Pellerine, einen Schutzmantel, wie ihn die Frauen im Mittelalter trugen. Auch daraus schloß man, dass besonders Frauen unter dem Schutz dieser Pflanze stehen. Bei den alten Germanen war Alchemilla geschätzt für Fruchtbarkeitsriten. In der antiken Medizin war man der Meinung, dass sie den Frauen nach der Entbindung ihr jungfräuliches Aussehen zurück geben könnte. Im Mittelalter galt die Alchemilla als Wundermittel bei allen Haut- und Schleimhauterkrankungen, vereiterten Nägeln, Akne, Unterleibsbeschwerden und Durchfall. Sie stand unter dem Ruf, Fehlgeburten vermeiden zu können, bei Einnahme ab dem dritten Schwangerschaftsmonat. Auch Kräuterpfarrer Künzel war ein großer Anhänger der Alchemilla und empfahl jeder „Kindbetterin“, 10 Tage lang Frauenmanteltee zu trinken. „… weil er selbst unter schwierigsten Umständen eine leichte Geburt und ein gesundes Kind bringt.“

Traditionell ist der Haupteinsatzbereich des Frauenmantels also die Frauenheilkunde. Das liegt wohl unter anderem an seinen Pflanzenhormonen, die dem weiblichen Progesteron ähneln. Dadurch kann der Frauenmantel Mangelzustände ausgleichen, die zu prämenstruellen Störungen und zu Wechseljahrsbeschwerden führen. Zudem wirkt das Frauenmantelkraut entkrampfend.

Als Tee getrunken lindert er nahezu alle Arten von Frauenbeschwerden, seien es Periodenkrämpfe, Prämenstruelles Syndrom oder Beschwerden der Wechseljahre. Auch während und nach der Geburt kann der Frauenmantel hilfreich sein. So fördert Frauenmantel-Tee auch die Milchbildung. Als Sitzbad kann Frauenmanteltee gegen Weissfluss helfen.

Frauenmanteltee lindert auch Beschwerden der Atmungsorgane, wie Husten, Erkältung und Schnupfen.
Auch die Verdauung wird vom Frauenmantel gefördert und sanft ausgeglichen. Ein schwaches Herz wird gestärkt und die Blutgefässe elastischer. Die Wirkung auf das Nervensystem kann Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit lindern.

Wesen der Pflanze
Umhüllung, Behütung, Hervorbringung
Alchemilla steht für die Bejahung der weiblichen Rhythmen und des Frauseins. Frauen, die ihre Identität zu sehr auf ihre Gebärfähigkeit abstützen, oder Frauen, die Schwierigkeiten haben, diesen Aspekt ihres Frauseins zu integrieren, verhilft der Frauenmantel zu einer gewissen Distanz. Der Frauenmantel wirkt kühlend. Er gleicht körperliche und seelische überschießende Wärmeprozesse aus. Eine zu starke oder zu schwache Betonung des Frauseins wird ausgeglichen.

Ernte
Das blühende Kraut wird am besten während einer Schönwetterperiode von Mai bis August, nachdem der Tau verdunstet ist, geerntet. Nach der Ernte gleich trocknen und gut verschlossen aufbewahren.

Anwendungen
Innerlich:
Menstruationsstörungen, vor und nach der Geburt, zur Förderung der Milchbildung, Wechseljahrsbeschwerden, leichte Magen-Darm-Katarrhe und unspezifischer Durchfall

Äußerlich:
Wundbehandlung, Brustentzündung, hautstraffende Kosmetik, Hautunreinheiten, entzündete Augen, nässende Ekzeme, Mundschleimhautentzündung, Angina, Scheidenspülung (bei Weißfluss)

Nebenwirkungen: Nicht bekannt

Neues Wissen: Nach neuem Erkenntnissen soll Frauenmantel auch gegen Viren (z.B. Herpes) und Bakterien (z.B. Staphylocuccus aureus) helfen. Ausserdem soll der Gerbstoff „Agrimoniin“ laut japanischen Forschern das Wachstum von Brustkrebs hemmen helfen, weil er die Bildung von Interleukin anregt, das das Immunsystem aktiviert.

Frauenmanteltee:
1 TL Kraut mit einer Tasse heißem Wasser übergießen, 7 Minuten ziehen lassen und abgießen

Liesel Malm empfiehlt die Guttationstropfen am Morgen mit einer Pipette in ein kleines Fläschchen zu sammeln. Wenn es zur hälfte gefüllt ist füllt Sie es mit 56% Alkohol auf. So können die wertvollen Tropfen haltbar gemacht werden. Bei Bedarf kann man sich dann zwei Tropfen unter die Zunge geben.

Quellen:
„Alles über Heilpflanzen“, Ursel Bühring
https://de.wikipedia.org
https://www.juvalis.de
https://www.kostbarenatur.net
„Pflanzliche Urtinkturen“, Roger Kalbermatten, Hildegard Kalbermatten
„Der Bio – Kräutergarten“, Liesel Malm